Am 9. Dezember 2012 spielte Joe Cole zuletzt im Upton Park von West Ham. Im Dress von Liverpool erzielte er in Minute 76 den Ausgleich zum 2-2. Joe jubelte nicht über seinen Treffer, zollte damit den Verein und den Fans Respekt bei dem er groß geworden ist. Bei Ansicht der TV-Bilder überkam mich eine Ahnung, dass Joe gut ins Team von Big Sam Allardyce passen würde. Dort klafft eine Lücke zwischen stabiler Defensive und der spärlichen Offensive.
Am 5. Jänner 2013 wird Joe Cole wieder das Dress der Hammers überstreifen. Mit 31 Jahren kehrt er zu seinen Wurzeln zurück.
2003 wechselte Joe von West Ham zu Chelsea.
Joe Cole absolvierte die West Ham Akademie und debütierte im Alter von 17 Jahren in der Profimannschaft. Damals schrieb Robert Rotifer auf der FM4 Website folgenden Eintrag:
Our Kid Joe
Ein Freund hat mir einmal erzählt, wie er in einem Pub im East End von West Ham-Fans mit einigem Jubel, Schulterklopfen und spendierten Bieren abgefeiert wurde, weil sie erfahren hatten, dass er ums Eck von mir wohnt. Natürlich hatte das nicht wirklich mit mir zu tun, sondern mit der zufälligen Begegebenheit, dass meine Straße der familiäre Stammsitz eines der jungen Helden jenes heuer schmählich in die zweite Liga abgestiegenen Londoner Traditionsvereins ist bzw. mittlerweile war.
Bis zu diesem Gespräch hatte ich jedenfalls keine Verbindung zwischen "Cole", dem benachbarten Fleischhauer, und dem Fußballer Joe Cole (21, technisch versierter Mittelfeldspieler mit wachsender internationaler Erfahrung) hergestellt. Aber bei näherer Betrachtung machte das schon mehr Sinn, denn hinter so Typen, die das nötige Selbstbewusstsein haben, sich in der alles andere als gemütlichen Atmosphäre des Profi-Fußballs durchzusetzen, steht nicht selten ein solider Klan. Und als solchen würde ich die Coles auch bezeichnen, schließlich gehören sie zu den Platzhirschen dieser im Volksmund gern mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebrachten, alten Marktstraße, aus deren geschäftlichen Territorialkämpfen im neunzehnten Jahrhundert immerhin die mächtige britische Supermarkt-Dynastie Sainsbury's hervorging (die ersten zwei Filialen standen auf meiner Straße, auch eine Art von Ruhm, die Familie des mittlerweile in Regierungskreise aufgestiegenen Lord Sainsbury wohnte oberhalb des erst verwahrlosten, dann geschlossenen Pubs gegenüber).
Über dem Geschäft der Coles hängt das makabre Schild "Family Butcher", und mit dieser Familie ist auch tatsächlich nicht zu Spaßen. Das wissen die Parksheriffs, die immer ein Auge zudrücken, wenn der glimmernde Colesche Fuhrpark allen weltlichen Vorschriften zum Spott am Gehsteig vor dem Laden abgestellt ist. Und das erfuhr auch die Frau, mit der ich mein Leben teilen darf, als sie einmal den Seitenspiegel des Mercedes eines der Klanmitglieder im Vorbeifahren touchierte. Ich konnte den aufgebrachten Herrn nur besänftigen, indem ich ihm mit meiner Imitation eines dämlichen Middle Class-Akzents begegnete. Es gibt keine bessere Art, sich bei der Working Class (selbst wenn sie Mercedes fährt) wegen offensichtlicher Unzurechnungsfähigkeit für eine ernsthafte Auseinandersetzung zu disqualifizieren. Gut, ich hätte trotzdem ein paar hinter die Ohren kriegen können, aber in diesem Fall funktionierte die Finte. Ein anderes Mal, das war noch zu Zeiten der BSE-Krise, wagte ich den Verkäufer blöd danach zu fragen, ob er sich auch sicher sei, dass jenes Stück Rindfleisch, das er auf meine Anfrage aus dem Hinterzimmer hervorgeholt hatte, tatsächlich aus biologischer Haltung stamme. Wenn Blicke fleischern könnten.
Seither haben wir jedenfalls bei den Coles nichts mehr gekauft. Und letztens, als ich mit einer frischen Baguette von den Arabern weiter unten den "Family Butcher" passierte, da hatte sich vor dem Geschäft der Coles ein Großteil des Klans samt assoziierten Mitgliedern rund um einen jüngeren Herrn in kurzen Hosen versammelt. Jener schien gerade in eine sehr animierte Schilderung vertieft zu sein, und just als ich vorbeiging, unternahm er einen Luftsprung und schwang dabei sein rechtes Bein in die Höhe. Erst da kapierte ich, dass das natürlich Joe Cole persönlich sein musste, der da vor seinen Bewunderern mit fußballerischen Großtaten prahlte.
Und gestern erfuhr ich dann ganz offiziell, was die Spatzen schon seit längerem von den Dächern von West Kentish Town gepfiffen hatten: Joe Cole geht für 6,6 Millionen Pfund (9,3 Millionen Euro) zum neureichen, von russischen Ölmilliarden beflügelten Chelsea FC (siehe diese gar nicht so alte Geschichte hier). Vielleicht kriegen die Coles ja jetzt ein neues, schöneres Geschäftsschild. Und vielleicht wird ihr Fuhrpark noch ein wenig fetter. Aber das East End wird sich nicht freuen. Die Liste der Spieler, die in den Monaten vor und nach dem Abstieg West Ham verlassen haben, ist wirklich besorgniserregend (Paolo Di Canio, Freddie Kanoute, Lee Bowyer, Les Ferdinand, Scott Minto, Edouard Cissé, Trevor Sinclair undsoweiter). Die Kluft zwischen den Wohlbesohlten und den Habenichtsen wird immer größer, und der neue Status der Hammers als dauerhafte Zweitligisten scheint schon vor ihrer ersten Saison in der missverständlich benannten First Division besiegelt. Dass gerade dieser Club bis zu seinem Abstieg eigentlich überdurchschnittlich reich an Teamspielern war (Keeper David James ist noch dabei), sagt eigentlich schon alles über die Dominanz der ausländischen Spieler in der Premiership. Und insofern ist Joe Coles Transfer natürlich wieder eine gute Sache, denn wenn sich das englische Nationalteam künftig aus Zweitligisten rekrutiert, sieht die Zukunft finster aus.
56 Spiele hat Joe für das Englische Nationalteam absolviert und dabei 10 Tore erzielt.
Er lief ab 2010 für den FC Liverpööl auf, war aber letztes Jahr für 6 Monate an den OSC Lille verliehen.
West Ham spielt heuer, auch ohne Scheich oder Oligarchen im Hintergrund, in der Premier League mit.
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